In Gin Gin lagern immer noch Wins Bücher und andere Habseligkeiten in einer angemieteten Garage. Es ist an der Zeit, das Puzzle wieder zusammenzufügen, also Win und seine sieben Sachen wieder auf einen Nenner zu bringen.
Nachdem Verhandlungen mit einigen Speditionen etwas enttäuschend waren, haben wir beschlossen, das Problem selber zu lösen. Zwischen Gin Gin und Victor Harbor liegt allerdings eine dreitägige Autofahrt. Damit das nicht zu dröge wird, wollen wir das Beste daraus machen und auf dem langen Weg dorthin ein paar nette Dinge machen.
Was nun kommt ist eine Fahrt in mindestens 3 Etappen. 2300 km stehen uns bevor, meistens durch Gegenden, die fast unbewohnt sind. Farmland, Halbwüste, Buschland, Emus, Kängurus…
Die erste Etappe beginnt in Adelaide, nach einem Abend mit Steph und Brian, somit ist es also fast eine Stunde weniger bis zu unserem 1. Etappenziel Broken Hill. Ein Stadt mitten in den Outbacks.
Vor Jahren waren wir schon einmal in Broken Hill. Früher gab es eine Mine, in der Gold, Kupfer und Blei abgebaut wurden. Der Stadt sieht man an, dass sie bessere Zeiten hatte. Häuser stehen leer, Geschäfte ebenso, die meisten Pubs gibt es schon lange nicht mehr, nur noch der Gebäudetyp verrät den ehemaligen Zweck.
Unser Quartier ist in einem WHA, einem Backpackers. Die Zimmer sind schlicht, haben aber ein kleines Bad, es gibt eine Küche und im Innenhof sogar einen Swimmingpool, bei der heißen trockenen Luft ist das unser Lebensretter.
In Broken Hill lebte einer der erfolgreichsten Künstler Australiens, Pro Hart, eigentlich Kevin Charles Hart. Er war nicht nur erfolgreich, sondern auch sehr produktiv. 100000 Werke soll er geschaffen haben, nicht nur Bilder, sondern auch Skulpturen hat er gemacht und dabei alle möglichen verrückten Dinge ausprobiert. Z.B. musste seine Frau Weihnachtskugeln mit Farbe füllen. Damit ist er dann in die Wüste gefahren und hat mit einer kleinen Kanone die Dinger auf die Leinwand geschossen.
Pro Hart ist auf einer abgelegenen Farm aufgewachsen, hat dann viele Jahre in der Mine in Broken Hill gearbeitet, bevor er seiner Frau eröffnet hat, dass er lieber malen möchte. Die Australier haben ihn geliebt, weil er Kunst aus der elitären Nische herausgeholt hat, so dass jeder Zugang zu Kunst hatte und sie sich auch leisten konnte. In Adelaide hat uns jemand erzählt, dass das alles nur ein cleveres Geschäftsmodell eines Unternehmers war, der in Pro Hart investiert und somit eine „Marke“ geschaffen hat. Die Bilder sollen dann von verschiedenen Leuten gemalt worden sein. Nachdem ich das Pro Hart Museum in Broken Hill gesehen habe, glaube ich das nicht mehr. Ich denke, er war sehr ambitioniert und voller Hummeln.
Das heutige Museum war früher seine Garage, wo draußen immer noch seine Autosammlung zu sehen ist, darunter mehrere Rolls Royce. Wie man damit in der Wüste rumfahren kann, habe ich noch nicht verstanden, aber es muss wohl gehen.
Weiterfahrt quer durch die Outbacks mit nicht enden wollenden Landstraßen, vorbei an wilden Ziegenherden. Ziegen in jeder Größe und Farbe sieht man am Straßenrand, meisten außerhalb der eingezäunten Farmen. Nur selten wird eine überfahren, denn die Ziegen sind recht clever. Nicht wie die Kängurus, die selbstmörderisch in die Autos rennen. In den letzten Wochen war so viel Regen hier, dass mehrere Gegenden wegen der Überflutung abgeschnitten waren. Aber nun ist das Wasser versickert und die Landschaft ist saftig grün, ideal für die Ziegen, die sich unaufhaltsam vermehren. Ab und an werden sie eingefangen und „verwertet“. In einer kleinen Stadt haben wir einen riesigen Viehtransporter voller Ziegen gesehen.
Ich stelle mir immer vor, wie es wäre hier zu leben. In dieser verlassenen Gegend ist absolut nichts außer Busch und langweiligem Farmland.
Unsere nächste Übernachtung war in Hebel. Ein Ort, mitten im Nirgendwo, bestehend aus einem Pub, einem Campingplatz und einem kleinen Laden. Alles ist auf Durchreise eingestellt, niemand bleibt hier lange. Außer vielleicht ein paar junge Europäer, die mit „Work und Travel“ für ein paar Wochen bleiben und sich um den Pub und den Laden kümmern.
Wir übernachten in einem Schlafcontainer mit Aircondition. Die Dusche befindet sich in einem anderen Container auf dem Gelände. Wasser für die Dusche kommt aus einem Brunnen mit schwefelhaltigem Wasser, was den Geruch von faulen Eiern hat. Nach dem Duschen riecht man folglich nicht sehr gut.
Am nächsten Tag Gin Gin, Übernachtung im Gin Gin Hotel. Was nun kommt, ist nicht mehr so spannend. Wir haben in der angemieteten Garage an den darauffolgenden Tagen alles durchsortiert, Kartons beschriftet und nummeriert, Dinge entsorgt, die nun doch nicht mit auf die lange Reise gehen sollen. Meine beiden Korbsessel und ein wunderschöner alter Tisch aus Frankreich, eine wirkliche Rarität, mussten dran glauben. Die Garage in der prallen Sonne war unerträglich heiß. Übernachtet haben wir bei Steve, uns auf seiner Terrasse und im Pool mit Rotwein von den Strapazen erholt. Nun ist das Auto vollgepackt bis zum Stehkragen. Der Rest wird demnächst von einer Spedition geliefert. Das ist das Ende des Kapitels Queensland.
Nun sind wir also auf der Rückfahrt nach Victor Harbor und das beladene Auto erlaubt keine Umwege. Win sorgt sich ohnehin, ob das alte Gefährt das noch schafft.
Draußen 38 Grad, drinnen, je nach Einstellung der Klimaanlage etwa 25 Grad, durchqueren wir die endlosen Ebenen von Hay, mit Buschland und nicht enden wollenden Farmen. Weiter nördlich sieht es ähnlich aus. Die Vegetation wechselt nicht gravierend, Straßen sind oftmals schnurgerade bis zum Horizont. Die kleinen Orte, die wir durchfahren sind zum Großteil unbewohnt. Viel Leerstand, viele der alten Häuser sind mit Brettern vernagelt oder inzwischen Ruinen.
Für uns unbegreiflich und mustergültig ist, dass jeder dieser kleinen Orte, auch wenn er noch so winzig und fast unbewohnt ist, zumindest eine kostenlose öffentliche Toilette hat. Die sind nicht immer perfekt, jedoch habe ich es nie erlebt, dass eine in einem unbenutzbaren Zustand war. Manche der Orte haben nur ein paar Häuser und dennoch gibt es ein Schwimmbad, das zu festgelegten Zeiten öffentlich zugänglich ist. Was haben wir in unserem Dorf, das immerhin 21.000 Einwohner hat, schon versucht, um ein Schwimmbad zu kriegen.
So. Wir haben es geschafft, ohne Panne und ohne gefährliche Situation nach Victor Harbor zu kommen. Etwa 5000 km Landstraße liegen hinter uns, mehrere Liter Eiskaffee sind geflossen, unzählige Kekse liegen zerbröselt in allen Ritzen der Sitze. Das brave, geduldige Auto ist entladen und nun reicht es mal wieder mit dem Rumtreiben.