Bob’s your uncle

Das hört man immer wieder in Australien und es scheint auch nur hier eine Bedeutung zu haben. Es steht für eine pragmatische Lösung, eine Schlussfolgerung oder einen Schlusspunkt. Man muss sich das etwa so vorstellen: Ein Problem steht im Raum, dann fällt einem die Lösung ein und schon ist Bob‘s your uncle.

Nichts ist los in Gin Gin, aber dafür ist es unheimlich ruhig und friedlich. Ich musste nach Brisbane zum Konsulat. Und wenn man schon mal unterwegs ist, kann man auch gleich einen richtigen Ausflug daraus machen. Also haben wir beschlossen, nach dem Termin in Brisbane Ian in Nimbin zu besuchen. Nimbin ist gleich nebenan, nur zweieinhalb Autostunden in Richtung Süden. Und da ist schließlich immer was los.

Ian wohnt immer noch mit Nick in diesem wackeligen Haus. Bei Ian kann man sich nicht vorher anmelden. Er würde Emails sowieso nicht lesen und ans Telefon geht er auch nicht. Man taucht auf und sieht zu was möglich ist. Diesmal war schon Besuch da, von Althippie Sandra, die eines der Zimmer bewohnte. Ich war froh, in diesem Männerloch eine andere Frau zu treffen. Das macht alles etwas harmonischer. Denkste.

Sandra hat Herz, aber auch eine Stimme wie ein Bierkutscher. Tattoos sind auf allem, was aus der Kleidung rausguckt und ihre wirren Rasterlocken sind voll mit kleinen klimpernden Schmuckstückchen. Wie alle hier, lebt auch Sandra von Sozialleistungen. Ihren Tag beginnt sie mit Yoga und ein paar Kippen. Als 14jährige ist sie von zu Hause ausgezogen und hat seit dem sicher ganz viel erlebt. Von ihrer Schwester hat sie mir erzählt, die eine schreckliche Drogenkarriere hinter sich hat und nun als menschliches Wrack abhängig ist von medizinisch verordneten Ersatzdrogen. Bei Sandra war es offenbar nicht so heftig.

Sandra in Vanessas Garten, begeistert von den vielen exotischen Pflanzen.

Am nächsten Abend hatte Ian eine Einladung zum Essen bei Vanessa. Der Name ist schon öfters gefallen und langsam war ich neugierig. Dass wir mitfahren zu Vanessa, war selbstverständlich. Allerdings heißt hier Einladung zum Essen nicht unbedingt, dass der Gastgeber das ausrichtet.  Wir haben also Essen gekauft, alles vorbereitet und sind dann mit dem dampfenden Huhn und den Salaten zu Vanessa gefahren. Sie lebt in einer Kommune in der Nähe, mitten im Wald. Billen Cliffs ist eine der größten Kommunen in der Umgebung von Nimbin. Unterwegs haben Ian und Sandra die Frage diskutiert, warum nicht Vanessa zu uns gekommen ist. Das wäre doch viel einfacher als wenn vier Personen samt Abendessen zu ihr fahren.

Diese Frage konnte ich bald selbst beantworten.

Vanessa hat ein kleines Hexenhäuschen in der Kommune, umgeben von einem wilden Garten mit unbekannten Obstbäumen, Büschen und Kräutern. Den Garten liebt und hegt sie. Vanessa lebt allein in dem kleinen Häuschen, ihre Kinder sind längst ausgezogen. In der Kommune findet sie sozialen Anschluss, aber verdammt einsam muss es dennoch sein. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie oft Besuch hat.

Vanessas Hexenhäuschen

Gleich nach unserer Ankunft hat Vanessa uns ein paar Lieder vorgespielt, die sie mit einer Freundin zusammen aufgenommen hat. Sie hat die Texte gemacht und hat gesungen, die Freundin war für die Melodie zuständig und hat auf der Gitarre begleitet. Man hört eine rauhe schleppende Stimme, die klingt wie nach einer verkifften Nacht mit mehreren Flaschen Rotwein obendrauf. Bisher haben die beiden schon zwei CDs mit ihren Songs in Umlauf gebracht, aber halt nur so zum Spaß für Leute im Freundeskreis. Ich würde gerne ein paar Takte hier einblenden, habe aber noch keine Datei dazu. Vielleicht später. Nur eins sei gesagt: für diese Art von Musik kann man gar nicht nüchtern sein, weder beim Machen noch beim Zuhören.

Vanessa in ihrer Lieblingsecke

Gestern haben wir dann auch noch Albert kennen gelernt und erst im Nachhinein ist mir bewusst geworden, wie durchgeknallt der ist.

Wir hatten abends einen kleinen Spaziergang durch Nimbin. Ian wollte uns den kommunalen Garten zeigen, von dem aber leider nicht mehr viel übrig ist. Gleich neben der alten Holzkirche sieht man noch die Reste des Gartens, aber nun ist alles überwuchert. Dann kam ein Mann zu uns, unauffällig, vielleicht so Mitte 40 und erklärte uns, dass er ja das Grundstück vor etwa 8 Jahren Jahren gekauft hätte. Er hat dann den Schlüssel für die Kirche geholt und wir konnten hinein gehen. Anfangs verlief das Gespräch fast normal, aber dann wurde es immer extremer. Plötzlich sprach er 15 Sprachen, konnte aber noch weitere verstehen, da waren 5 Autos und etliche Häuser in seinem Besitz und sein Haus, gleich neben der Kirche war mal ein Puff. Das Haus nebenan bewohnt er mit seiner Schwester. Die war gerade mit dem Hund unterwegs. Während ihrer Abwesenheit wollte er uns das Haus zeigen.

Hier wohnt Albert mit seiner Schwester

Ein wunderschönes traditionelles Haus, 120 Jahre alt und immer noch im ursprünglichen Zustand. Die Holzterrasse rundum und schöne Bleiverglasungen in den Türen waren einzigartig. Auf unsere Frage, was er denn mit dem Haus vor habe, war er ziemlich ratlos. Also hatte er überhaupt keinen Plan. Planlosigkeit war auch mein vorwiegender Eindruck in seinem Haus. Das Gerümpel von Generationen ehemaliger Bewohner türmte sich in allen Ecken, auf der Terrasse, im Untergeschoss und um das Haus herum. Alte Mikrowellen, Wäschetrockner, Matratzen, Schuhe und ausgediente Textilien wohin man auch sieht. Hinter dem Haus gibt es eine Art Swimmingpool mit einer Brücke, die den Pool teilt. Angeblich hatte er dort bereits Delphine und Haie. Hä? Der Pool ist insgesamt nicht länger als 10 Meter. Wie kann ein Delphin darin überleben, abgesehen davon, dass es für die Haltung dieser Tiere sehr strenge Auflagen gibt. Als er dann anfing von seinen Visionen zu erzählen, war mir klar, dass da irgendwas nicht stimmt. Schlussfolgernd denke ich, dass von all seiner Prahlerei uns gegenüber absolut nichts den Tatsachen entspricht. Also wieder so ein Freak, der in Nimbin nicht weiter auffällt.

Früher konnte ich mir nie vorstellen, dass Hippies auch mal alte Leute werden könnten. Hier in Nimbin laufen sie nun rum in Scharen. Für Nimbin habe ich immer noch diese Hassliebe. Es ist kunterbunt, jeder lebt nach seiner Fasson, aber es ist auch irgendwie tragisch, wie sich hier alle sammeln, die nicht so richtig in die Gesellschaft passen. Die soziale Hängematte ist in Australien recht gemütlich und viele passen rein. Kiffen gehört zum guten Ton und Leute wie ich müssen doch aus deren Blickwinkel die absoluten Spießer sein. Ich kiffe nicht, laufe nicht barfuß im Supermarkt rum und ich flippe auch nicht aus wenn mir einer sein Lieblings-T-Shirt zeigt.

Inzwischen sind wir weiter gezogen nach Yamba, 150 km südlich von Nimbin. Hier sieht alles nach viel Geld und Urlaub machen aus. Am Strand wird gesurft und wem die Wellen zu hoch sind, der geht nebenan in den Pool mit Meerwasser. Was für ein Kontrast! Wir haben ein sauberes Zimmer mit Bad im YHA. Die Strände sind weit und wunderschön und überall völlig normale Leute.

Bellingen steht noch auf dem Programm, etwa 180 km von hier. Dahin geht es morgen. Der Dorrigo National Park ist nicht weit von Bellingen. Dort wollen wir wandern. Dann noch ein, zwei Übernachtungen auf dem Weg zurück nach Gin Gin und Bob‘s your uncle.

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