Buenos Aires

Das wird wohl das kürzeste Reisetagebuch diesmal.

Unser Plan war, von hier aus erst nach La Plata zu fahren, das ist etwa 60 km südlich von Buenos Aires, dann über den Rio de la Plata nach Uruguay, zu den Iguazu Wasserfällen, weiter nach Paraguay, über die Anden nach Chile usw. Inzwischen hat sich so viel zusammen gebraut, dass wir einfach keine Lust mehr darauf haben.

Buenos Aires ist eine Stadt mit ca. 14 Mio. Einwohnern. Obwohl ich nun schon seit Dienstag hier bin, habe ich nicht sonderlich viel gesehen von der Stadt. Wahrscheinlich gibt es auch nicht viel, was lohnenswert wäre.

Zwei volle Tage lang sind wir wie die Touris durch die Straßen gewandert, haben an nichts Böses denken können. Unser Hotel liegt nahe am Hafen an einer Fußgängerstraße, die berühmt ist für den Schwarzmarkt und für Taschendiebstahl. Es gibt wunderschöne alte Häuser mit riesigen Fenstern und kunstvollen Balkons und Toren. Vor allem in den kleinen Seitenstraßen sieht man ungewöhnlich schöne Häuser, die zum Teil auch sehr verfallen sind. Kaffeehäuser im alten Stil sind ähnlich wie in Wien oder in Paris sehr gediegen ausgestattet, mit schönen alten Möbeln und edlen Wandverkleidungen. Es gibt viel Personal, der Service ist gut, leckeres Gebäck und starker Kaffee und Tangoatmosphäre schwingt mit. Tango ist allgegenwärtig, sogar auf den Straßen wird getanzt.

Tangovorstellung im Kaffeehaus
Tango auf der Straße

Tango auf den Straßen von Buenos Aires

Man könnte das wirklich genießen, wenn da nicht noch etwas wäre, womit wir so gar nicht umgehen können.

Auf unserer ersten Tour zur Nationalgalerie trafen wir Leute aus Australien. Das war in einem kleinen Antiquitätenladen in einer noblen Wohngegend. „Wir sind ausgeraubt worden“ war das Erste was sie zu berichten hatten. Darauf folgte eine halbstündige Schilderung der ganzen Geschichte. Welche Schwierigkeiten, neue Pässe zu kriegen, wie ohne Geld und Kreditkarten über die Grenze kommen. Sie fühlten sich selber wie Verbrecher, mussten Fingerabdrücke machen lassen, mussten stundenlang in staubigen Amtsstuben warten usw., zwei ganze Wochen haben sie mit all dem verbracht.

Auch wenn man selber nicht unmittelbar betroffen ist, fühlt es sich nicht gut an.

Nahe der Nationalgalerie liegt der berühmte Recoleta Friedhof. Familiengruften reihen sich aneinander und sehen aus wie kleine Villen. Manchmal kann man hinein sehen und  in einigen gibt es Treppen die in eine Art Keller führen, wo die Särge der Toten aufgestapelt liegen. Berühmte Leute liegen hier in ihren Gruften, auch Eva Peron, die Gattin des damaligen Präsidenten. Sie wird immer noch verehrt, weil sie sehr leidenschaftlich für die Rechte der Armen eingetreten ist.

Auf dem Recoleta Friedhof
Blick in eine der Familiengruften: manchmal sind die Särge einfach übereinander gestapelt

Am nächsten Tag noch einmal durch die kleinen Straßen zur Galerie mit moderner Kunst. Zwei Museen lagen nebeneinander. Wir waren erst in dem staatlichen und größeren von beiden. Das war ok, wenn auch nicht überwältigend. Als nächstes haben wir die kleine privat geführte Galerie angesehen und waren 5 Minuten später schon wieder draußen. Es war enttäuschend, auf drei Etagen so gar nichts zu finden, was man respektvoll Kunst nennen könnte.

Die Fassadenkunst außerhalb der kleinen privaten Galerie ist auf jeden Fall spannender als das was man für Geld drinnen sehen kann

Auf dem Weg zurück passierte dann etwas, was ich noch nie im Leben hatte. Ich wollte ein knallbuntes Haus fotografieren und plötzlich kam da einer aus dem Nichts und wollte mir mein Tablet entreißen. Er hat es nicht geschafft. Ich habe gebrüllt, festgehalten, er hat losgelassen, Win kam, hat ihm eins auf die Nase gehauen und dann lag er auf dem Boden. Gleich nebenan war ein Büro mit einem Wachmann, der sollte die Polizei rufen, hat aber nur mit den Schultern gezuckt. Hinterher laufen wollte er auch nicht, war ihm zu gefährlich.

Da geht er davon, rechts im Bild und leider nur von hinten

Als wir abends von unserem Hotel aus auf die belebte Straße gingen, hatten wir uns schon von der ersten Attacke erholt. Plötzlich sieht Win eine Frau dicht hinter mir, die offensichtlich versucht hat, meinen Rucksack zu öffnen. Das hintere Fach war tatsächlich offen, aber zum Klauen ist sie noch nicht gekommen. Ich kann mich an einen schwarzen Schal erinnern und daran, dass sie nicht sehr groß war. Ein junger Mann hinter ihr zeigte auf jemanden hinter uns, der in der Menge untergetaucht wäre. Wahrscheinlich war er selber ihr Komplize und wollte von ihr ablenken. Somit konnte die Frau im Gewimmel entkommen und ward nicht mehr gesehen. Zwei Attacken an einem Tag!

Die belebte Florida mit Passanten, Schwarzhändlern und Dieben

Das hat uns jedenfalls sehr wachsam gemacht. Win war vor etwa 7 Jahren hier und meint nun, dass sich alles sehr zum Schlechten verändert hat. Auch er hat bei all seinen Reisen noch niemals so etwas erlebt. Er macht sich nun Vorwürfe, dass er mich hierher gelotst hat und will so schnell wie möglich weg. Die letzten zwei Nächte hat er nicht schlafen können vor Grübelei und sein Bauchgefühl ist ganz schlimm. Ich sorge mich weniger. Aber in Ruhe irgendwo zu fotografieren oder entspannt durch eine Straße zu spazieren ist irgendwie versaut. Ich denke wenn auch nur einer von uns ein schlechtes Gefühl hat, dann muss man darauf reagieren.

Noch etwas ist ungewöhnlich und durchaus vergleichbar mit der Straßenkriminalität. Das sind die Banken, die zu unglaublichen Gebühren abzocken. Das Maximum, was man am Geldautomaten abheben kann, sind 2000 Pesos, das sind etwa 30 Euro. Dazu kommen dann allerdings 10 Euro Gebühren für die Transaktion. Unsere Nachfrage in einer Bank hat ergeben, dass bei allen ausländischen Bankkarten diese Gebühr erhoben wird, eine Art Zoll, staatlich verordnet. Wäre das nicht limitiert auf umgerechnet 30 Euro, wäre es nicht so tragisch. So aber kommt man auf eine Transaktionsgebühr von 25 Prozent. Wenn das nicht kriminell ist.

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