Unterhalb des Berges Uluru gibt es ein wunderschönes Besucherzentrum mit einer Ausstellung über die Gegend und die Kultur der Aborigines.
Das Gebäude ist in Erdtönen gehalten und dekoriert mit Ornamenten, die zur traditionellen Kunst der Aborigines passen (Fotografieren ist leider verboten). Hätten die Aborigines jemals selber Häuser gebaut, dann hätte man sich die genau so vorstellen können. Es haben sogar zwei Frauen in dem angegliederten Café gearbeitet, die zur Hälfte Aborigines sind. Nicht viele Aborigines habe ich arbeiten sehen.
Dafür sind sie viel mehr verbunden mit der Natur als wir, verstehen die Natur sicher besser als wir, haben Geschick im Umgang mit Tieren, können Fährten lesen usw.
Im Süden Australiens habe ich nur wenige Aborigines gesehen. Hier im Nordern Territory hat man den Eindruck, dass sie die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen. Sie prägen das Stadtbild in Alice Springs. Fotografiert werden möchten sie meistens nicht und da ich niemanden provozieren möchte, lasse ich das sein.
In Vorbereitung auf unsere Tour habe ich viel über die Aborigines gelesen. Wann genau sie nach Australien kamen ist nicht ganz klar. 70000 Jahre sagen die einen, 20000 Jahre die anderen. Es gab unzählige Stämme, von denen jeder seine eigene Sprache hatte. Noch heute soll es rund 250 unterschiedliche Sprachen der Aborigines geben, die sich untereinander nicht verständigen können.
Mich verwundert, dass es in dieser langen Zeit keinerlei Entwicklung gab, oder Erfindungen wie das Rad, Pfeil und Bogen, Töpferei usw. wie anderswo auf der Welt. Es wurde auch nichts angebaut oder gezüchtet. Einige Stämme haben den Fischfang kultiviert, aber ansonsten haben fast alle Stämme als Nomaden gelebt. Sie waren also hauptsächlich Sammler und Jäger. Kleidung gab es nicht, oder Häuser. Wenn sie von einem Jagdgebiet zum anderen gezogen sind, dann haben sie weder Essen noch Trinken und schon gar nicht irgendwelche Besitztümer mitgenommen, weil sie nämlich keine hatten. Den Begriff von Landbesitz kannten sie auch nicht. Gejagd wurde mit Speeren oder Wurfstöcken. Die erlegten Tiere wurden so auf das Feuer gelegt, wie sie waren. Zerlegen konnten sie Tiere nicht, weil es keine Schneidwerkzeuge gab. Schildkröten z.B. wurden einfach umgedreht und in ihrem Panzer auf dem Feuer gegart. Geschlafen wurde unter freiem Himmel, dicht an dicht neben der Feuerstelle. Hunde oder Dingos teilten das Lager mit ihnen. Frauen galten als beweglicher Besitz ihres Mannes, der natürlich mehr als nur eine Frau besitzen durfte. Kinder hatten den gleichen Stellenwert wie die Hunde. Es gab keine Schriftsprache. Nichts konnte aufgeschrieben und überliefert werden. Aber sie waren im Einklang mit der Natur und richtige Überlebenskünstler, die sich auch auf geänderte klimatische Bedingunegen einstellen mussten. Wenn sie Wasser brauchten, dann bekamen sie das von Wurzeln, die sie mir ihren Händen aus der Erde buddelten. Gegessen wurde alles was essbar war, eine Frage des Überlebens. In schlechten Zeiten, wie z.B. in einer Dürreperiode, konnten sie ihre Kinder nicht großziehen, sie wurden dann ohne großes Aufsehen getötet.
Welchen Schock müssen die Aborigines gekriegt haben, als dann plötzlich Schiffe kamen, Wagen, Gewehre usw., dann die Auseinandersetzungen mit den Eroberern, Versuche zu missionieren, Jagdgebiete wurden zu Farmen gemacht usw. Tausende Jahre Entwicklungsgeschichte haben sie im Zeitraffer erlebt und dabei ist, wie in anderen Kolonien auch, sehr viel Unrecht passiert. Kinder wurden den Eltern weggenommen, um sie in Familien der Weißen zu erziehen und zu Haushaltshilfen oder zu Farmgehilfen auszubilden. Das war bis in die 70er Jahre so. Inzwischen schämt sich Australien dafür. Heute sehen sich die Aborigines als enteignet und beraubt. Parlamentarisch können sie dagegen nicht viel machen, weil sie nur etwa 3% der Bevölkerung sind. Die Bemühungen um gegenseitiges Auskommen sind jedoch groß. Zum Beispiel werden große Gebiete der ehemaligen Jagdgebiete an die Kommunen der Aborigines zurück übertragen. Der Staat versucht, sie zu integrieren mit „positiver Diskreminierung“. Das bedeutet, dass Aborigines gegenüber den anderen Australiern etliche Vergünstigungen haben. Sie dürfen einheimische Tiere jagen, müssen z.B. keine Bewerbungen schreiben, um Sozialgeld zu kriegen, bekommen Häuser, Bildungsförderung und etliche andere Unterstützungen. Tatsache ist jedoch, dass nur wenige den Schulabschluss schaffen und der Staat für alles verantwortlich erklärt wird, auch für den kaputten Wasserhahn in der Küche. Die Aborigines haben inzwischen den gleichen Anspruch auf Sozialleistungen, wie alle anderen Australier auch — und die sind verglichen mit Deutschland sehr großzügig.
Heute in der Bibliothek habe ich mehrere Aborigines gesehen, die sich dort einen Film angeguckt haben. Auch Bücher über erfolgreiche Biografien von Aborigines findet man dort. Einer der bekanntesten Landschaftsmaler Australiens, Albert Namajira, war Aborigine und kommt aus Hermannsdorf, einem nahegelegenen Dorf von Alice Springs.
Alkoholismus ist ein großes Problem. Ein fehlendes Enzym ist dafür verantwortlich, dass die Aborigines keinen Alkohol vertragen. Dennoch lieben sie den und lebenslange Alkoholabhängigkeit ist die Folge, wenn sie einmal damit anfangen. Hier in Alice Springs kann man ohne Vorlage des Führerscheins keine Flasche Bier kaufen. Und damit auch andere Suchtmittel den Alkohol nicht kompensieren können, gibt es hier nur Benzin ohne das typische Aroma, das bekanntlich high macht. Spezielle Lösemittel in Klebstoffen wird man hier auch nicht finden. Dennoch finden sie immer jemanden, der ihnen Alkohol verkauft. Mit Geld geht alles.
Ich finde es schwer, mit Aborigines in Kontakt zu kommen. Normalerweise sind Australier sehr freundlich und suchen den Blickkontakt einfach um „hallo“ zu sagen. Damit ist es auch sehr leicht, in ein Gespräch zu kommen. Die Aborigines vermeiden jeden Blickkontakt und das flüchtige Lächeln, das man sonst überall im Vorbeigehen kriegt oder gibt, kommt dort einfach nicht zustande. Vielleicht ist aber auch die Zeit unseres Aufenthalts nur zu kurz, um einem der Aborigines nahe genug zu kommen für ein Gespräch. Neugierig genug bin ich auf jeden Fall und genug Fragen hätte ich auch.