Die Meeresschildkröte

Immer wenn es uns in Gin Gin zu langweilig wird, machen wir einen Ausflug. Diesmal ging es in den Deep Water National Park, mit Zelt und Proviant. Direkt am Meer, eigentlich mitten im Busch, ist ein kleiner Campingplatz mit Dusche unter freiem Himmel, Toiletten und jeder Stellplatz hat eine kleine Feuerstelle zum Grillen. Auf dem Platz waren außer uns vielleicht zwei oder drei andere Gäste, etwas weiter noch ein Camp, in dem die freiwilligen Helfer für die Brutsaison der Schildkröten wohnen.

Meeresschildkröten kommen zwischen Oktober und Januar, um im Sand ihre Eier zu legen. Mitte November bis Februar ist dann die Zeit, wo die kleinen Schildkröten schlüpfen und versuchen, das offene Meer zu erreichen. Wir wollten wenigstens eines von den beiden Ereignissen miterleben, das war der Grund unseres Ausflugs.

Der Deep Water National Park ist nicht weit weg von Gin Gin, vielleicht 130 km, Luftline etwa 60 km entfernt. Im Dezember wüteten dort heftige Buschfeuer. Wir haben es in den Nachrichten verfolgt, ist ja schließlich gleich nebenan. Buschfeuer gehören hier zu den ganz normalen Dingen des Lebens, entstehen zum Teil durch Blitzschlag. Die Bäume überleben das meistens und frisches Grün treibt schnell wieder aus. Manche Bäume warten regelrecht auf den Feuersturm und ihre Samen können nur aufgehen, wenn sie vorher von einem Feuer geröstet wurden. An manchen Stellen riecht es immer noch verbrannt und grauweiße Asche bedeckt den Boden. Die Intensität des Feuers ist nicht gleichmäßig verteilt, hängt natürlich stark von der Umgebungsfeuchtigkeit und dem Baumbestand ab.

Ein Monat nach dem Buschfeuer

Aber zurück zum Schildkrötenausflug. Bedenkt man die Dimension des Strandes und die geringe Anzahl Schildkröten, die hier Eier legen, ist es recht unwahrscheinlich, dass man beim ersten Anlauf eine trifft. Mann muss sich schon ein paar Tage Zeit nehmen und die Abende und die Nächte am Strand verbringen und für den Fall, dass man die kleinen Schildkröten schlüpfen sehen will, dann sollte man auch tagsüber vor Ort sein.

Die Eier der Schildkröten sind sehr begehrt bei Füchsen, Dingos und Guanas. Meeresschildkröten sind zwar noch nicht vom Aussterben bedroht, aber der Bestand geht zurück und die zunehmende Verschmutzung der Meere, insbesondere mit Plastikmüll nimmt inzwischen bedrohliche Ausmaße an. Grund genug, die Tiere und ihre Brutplätze zu schüzen. Das machen hauptsächlich freiwillige Helfer, die während der Brutzeit in den Schutzgebieten bleiben und alles notieren. Nach Einbruch der Dämmerung fahren sie mit einer Art vierrädrigem Motorrad an den Strand und registrieren die frischen Legestellen. Wir haben sie abends losfahren sehen. Das war für uns das Zeichen aufzubrechen und so sind wir mit unseren Taschenlampen zum Strand spaziert. Im Mondschein am Strand konnten wir weit in der Ferne noch die Lichter der Motorräder sehen. Nach etwa 15 Minuten Wanderung war dann eine deutlich frische Spur zu sehen, die direkt in die Dünen führte. Die Spur lag über der der Motorräder, also ist die Schildkröte unmittelbar nach den Freiwilligen dort gewesen. Die Taschenlampen haben wir nicht mehr benutzt, denn die Tiere fühlen sich sonst bedroht und flüchten zurück ins Wasser. In den Dünen haben wir dann das riesige Tier bei der Arbeit vorgefunden. Zu dicht wollten wir nicht rangehen, aber wir wollten zumindest so lange bleiben, bis sie wieder zurück zum Meer geht. Gewartet haben wir dann fast eine Stunde. Inzwischen kamen die Freiwilligen zurück, eine Biologiestundentin und eine ältere Frau, die jedes Jahr mit ihrem Mann ein paar Wochen im Camp ist. An diesem Abend war es die zweite Legestelle, die sie vorgefunden haben.

Wenn die Schildkröten angefangen haben mit dem Eierlegen, dann kann sie nichts mehr stören. Deshalb konnten wir mit der Taschenlampe die Eiablage beobachten. Die Eier sind tischtennisgroß, insgesamt sind es zwischen 80 und 120, sie fallen eines nach dem anderen in das Loch, das die Schildkröte dafür in den Sand gegraben hat. Wenn alles vorbei ist, dann buddelt sie es wieder zu und verschwindet im Meer. Ihre Jungen wird sie vermutlich nie sehen. Die beiden Frauen haben die Schildkröte vermessen und begutachtet, alles wurde in einem großen Buch notiert. Es war eine Loggerhead, 97 cm lang, mit einer Registriernummer auf einem Chip.

In diese Dünen legen die Schildkröten ihre Eier
Am Morgen danach

Am nächsten Morgen sind wir noch einmal an die Stelle gegangen, die Spuren waren noch da. 55 Tage dauert es, bis die kleinen Schidkröten schlüpfen. Wahrscheinlich warten dann schon alle Guanas und Raubvögel am Strand, von den vielen gefräßigen Fischen ganz zu schweigen.

Sandspur eines räuberischen Guanas
Riesenqualle, mit ca. 30 cm Durchmesser

Noch etwas möchte ich loswerden zu einem seltsamen Fund, den ich neulich früh am Morgen in meinem Schlafanzug hatte. Es sah aus wie eine kleine Kapsel aus Lehm, etwa 2,5 cm lang und entpuppte sich dann als eine Wespenbrutkapsel. Die Wespen verkleben Ton und in der Kapsel wachsen dann die Eier heran. Damit die auch Nahrung haben, fängt die Wespe Käfer, Würmer oder Spinnen, die sie mit in die Kapsel packt. Der Inhalt ist halb betäubt und wird von den heranwachsenden Wespen lebendig verzehrt, so nach und nach. Welcome to Australia!

Das Innenleben der kleinen Lehmkapsel: 9 halb bewusstlose Spinnen

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