Ein kleines Fischerdorf etwa zweieinhalb Autostunden entfernt von Marrakech war das nächste Ziel. Wieder haben wir aus Bequemlichkeit eine Tour gebucht, diesmal aber nur für den Tag.
Im Bus saß eine junge Frau neben uns, eine Marokkanerin, vielleicht Anfang 20. Allmählich sind wir ins Gespräch gekommen und das war recht interessant. Sie ist Muslima, trägt aber kein Kopftuch, sondern kleidet sich recht europäisch. Sie arbeitet in einem Hotel und ihr Englisch ist sehr gut. Wir sprachen über Religion, Frauenrechte, Familie usw. Sie zweifelt am Islam, ist jedoch so verwurzelt, dass sie niemals da raus kommt. Die Familie ist sehr religiös, die Mutter will, dass sie zumindest das Kopftuch trägt. Aber sie sagt, wenn das von ihr verlangt wird, dann kommt sie nicht mehr nach hause. Sie findet auch, dass die Gehirnwäsche schon in sehr frühem Kindesalter anfängt. In ihrer Familie leben alle mit der Hoffnung auf ein besseres Dasein nach dem Tod. Sie meint, die quälen sich und hoffen, dass dann alles gut wird. Wie das genau ablaufen soll, davon hat keiner in ihrer Familie eine Vorstellung. Ich habe ihr erzählt, wie z.B. die Leute im Iran denken, wenn jemand keine Religion hat, so wie ich. Dort setzt man Religion gleich mit Moral. Wer also keine Religion hat, hat auch keine Moral. Wie unzutreffend das ist, zeigen die vielen Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche. Sie stimmt mir zu, dass Moral und Religion nicht Hand in Hand gehen und sie kennt selber auch genug Leute die religiös sind und keinerlei Moral haben.
Sie selber träumt davon, ein freies und selbstbestimmtes Leben zu führen, irgendwann genug Geld zu haben für ein eigenes Geschäft und ein Auto. Eine Familie will sie auch, aber da kommt auch nur ein Moslem infrage, ansonsten wird sie von ihrer Familie verstoßen. Ich hoffe, sie kriegt das alles hin.

Angekommen in Essaouira kommen uns Leute mit Plastiktüten voller Fisch entgegen, denn wir sind genau in Richtung des überwältigendsten Fischmarkts aller Zeiten gegangen. Etwa einen Kilometer lang (gefühlte 5 Kilometer) ist der Markt. In Fischbuden zu beiden Seiten, kleinen und größeren liegt alles, was das Meer zu bieten hat. Selbst große Haifische liegen auf den Tischen, 2 Meter lang. Was passiert mit all dem Fisch, wenn er nicht verkauft wird. Der Markt hat den ganzen Tag geöffnet und die Fische sind der heißen Sonne ausgesetzt. Manche Stände kühlen den Fisch mit Eis, aber leider nicht alle. Ich riskiere mein Leben und esse zwei frische Austern in der Erwartung, dass ich davon ganz furchtbar krank werde.


In Essaouira haben wir ein paar Stunden Zeit um herumzulaufen und alles anzugucken. Es ist schön hier, besonders in der Altstadt. Die Stadt ist normalerweise ruhig. Nur wegen des Musikfestivals, das gerade bei unserem Besuch seinen Auftakt hat, tummeln sich Leute aus allen Teilen der Welt auf den Straßen.
