Früher haben wir Touristengruppen immer belächelt. Wie sie im Gänsemarsch dem Guide folgen und alle gleichzeitig den Kopf drehen um etwas anzusehen. Nun sind wir auch ein Teil so einer Gruppe. Im Hotel in Marrakech haben wir eine Tour in die Sahara gebucht.
Quer durchs Land im Minibus, zwei Übernachtungen, Frühstück und Abendessen inbegriffen. Auf dem Weg in die Sahara gibt es einige Stops mit Sehenswürdigkeiten. Interessant ist die Zusammensetzung der Gruppe, die für die kurze Zeit miteinander wie eine Familie funktioniert. Bekanntlich funktionieren Familien nicht immer gut und in diesem Fall funktioniert kaum was.
Im Hotel haben wir Victor kennen gelernt, der die gleiche Tour gebucht hat. Da haben wir zumindest einen funktionierenden Verwandten. Alle anderen können oder wollen nicht kommunizieren. Ein Pärchen aus Italien. Sie schläft die ganze Zeit oder ist am Handy, dann zwei spanische Pärchen die bei jeder Gelegenheit rauchen müssen und ansonsten jeden Blickkontakt vermeiden. Dann ist da noch eine Familie aus Polen, die weder deutsch noch englisch spricht, zumindest fast nicht.
Zusammen sind wir am Montagmorgen losgefahren in Richtung Osten, das ist da wo die Sahara ist. Wir sitzen vorne im Bus, einem ungeschriebenen Gesetzt folgend, sitzt jeder immer wieder auf dem gleichen Platz.
Die Sahara liegt von Marrakech aus auf der anderen Seite des Atlasgebirges, das wir über Serpentinen durchfahren, vorbei an winzigen Bergdörfern.

Unser erster richtiger Stop ist bei den Ruinen der alten Wüstenstadt Aït Ben Haddou, ein Tourguide gesellt sich auch dazu und will uns alles zeigen und erklären. Als wir aus dem Minibus aussteigen, fallen mir zwei Berber auf mit wunderschönen blauen Turbanen. Eine Art Blau, die so intensiv ist, dass ich es gar nicht beschreiben kann, ich nenne es mal das Berberblau, weil das die Gegend der Berber ist. Später habe ich erfahren, dass dieses Blau glücklich macht. ((Foto folgt irgendwann))
Unser Guide hat leider keinen blauen Turban und so ist er in der Menge der Leute, die gleichzeitug hier rumrennen kaum auszumachen. Schließlich sind wir nicht die einzige Gruppe von Touristen, die hier ausgeladen wird. Der ganze Platz erinnert mich an einen Ameisenhaufen. Unser Guide wirkt ziemlich konfus und versteht keine Frage richtig.
Aït Ben Haddou ist etwa 600 bis 1000 Jahre alt, Weltkulturerbe und aus gestampften Lehmziegeln wunderschön an den Hang gebaut. Jetzt ist die Stadt verlassen bzw. hat nur noch 5 Einwohner. So genau kriegt man weder das Alter noch die Einwohnerzahl raus. Um in die alte Ansiedlung zu kommen, müssen wir vom neuen Stadtteil durch das ausgetrocknete Flussbett gehen.


Die meisten Guides sprechen mehrere Sprachen. Arabisch und Französisch sowieso, dann Englisch, Spanisch und was sonst noch. Unser Guide spricht auch englisch, ist aber kaum zu verstehen. Zum Glück waren wir ihn nach der Mittagspause los.

Gestampfter Lehm ist seit Jahrtausenden der wichtigste Baustoff hier. Er wird geformt und getrocknet und dann aufeinander gestapelt. Die rauhen Lehmwände können anschließend mit Lehm verputzt werden. Obwohl immer das gleiche Material verwendet wird, ist die Vielfalt der Farbnuancen erstaunlich. Je nachdem, wieviel Eisenoxyd oder Aluminiumoxyd enthalten ist, variieren die Farben von hellem Ocker bis zu dunklem Rot.
In unserer verlassenen Stadt musste schon viel repariert werden. Als Filmkulisse muss es ja halbwegs intakt sein. Außerdem sind das Tor ganz rechts im Bild und eine Wand ergänzt worden, um die Stadtansicht zu vervollständigen. Dafür wurde Styropor und anderes modernes Zeug verwendet. Was ist sonst noch unecht?
Weiter geht des durch die trockene Steppenlandschaft bis zum Dades, einem Fluss, der die Wüste in eine grüne, fruchtbare Landschaft verwandelt. An den Hängen sieht man ähnliche verlassene Städte wie in Aït Ben Haddou, vielleicht weniger spektakulär, aber dennoch malerisch.
Der Dades hat über die Jahrtausende ein gewaltiges Tal in die Landschaft gegraben. Weil es hier genug Wasser gibt, reiht sich ein kleines Dorf an das andere. Im Tal wird Gemüse und Getreide angebaut, kleine Felder, die von den Anwohnern gepflegt werden. Wandern kann man hier und an den Felshängen der Schlucht kann man klettern. Letzteres ist recht gewagt und führt immer wieder zu tödlichen Unfällen. Wir fahren nur durch bis zur Quelle des Dades und laufen barfuß durch das frische Quellwasser.
Unser Hotel ist auch in diesem Tal. Wir sind in einem sehr traditionell gebauten Haus untergebracht, genießen das Abendessen im Garten des Hauses, direkt neben dem Fluss und unter Feigenbäumen.

Ich mag unser Zimmer sehr, weil es so urig ist. Wenn man aus dem Fenster sieht, dann ist da der Bach, eingesäumt von Oleander. Die ganze Nacht über konnten wir das leise Plätschern hören. Ein paar Kilometer weiter können wir vor unserer Weiterfahrt in Richtung Wüste einen ausgiebigen Spaziergang am Dades machen durch die Gärten und Felder, vorbei an alten Lehmbauten. Ab und an treffen wir Leute, die mit ihren schwer beladenen Eseln Stroh transportieren oder auf ihren kleinen Feldern arbeiten. Bei unserem Spaziergang begleitet uns ein neuer Guide, der zu uns in den Bus gestiegen ist. Anfangs habe ich die Augen gerollt, aber dann hat sich herausgestellt, dass er nicht nur sieben Sprachen perfekt beherrscht, sonder seine Umgebung auch sehr gut kennt. Er war es auch, der mit uns an die Dadesquelle gefahren ist. Er meinte, dass man es hier nur sehr früh am Morgen, nachts oder im Winter aushält. Ganz schlimm ist es in der Ferienzeit, da findet man keinen Platz zum Sitzen mehr, weil alles gnadenlos überfüllt ist. Auch als wir da waren, war die Straße von Händlern eingesäumt. Er erzählt über die zahlreichen Unfälle, wenn die Kletterer sich an den steilen Felshängen hocharbeiten. Die Felsen sind brüchig und fallen manchmal runter.



In der Wüste waren wir erst am späten Nachmittag. 40 Grad im Schatten und am Himmel sah man große schwarze Wolken. Da hatte ich keine Lust, den letzten Kilometer auf einem Kamel zurückzulegen. Wir sind also in einen Jeep umgestiegen und haben uns zu unserem Camp fahren lassen, einem Zeltcamp am Rande der Sharawüste. Da fast alle anderen noch auf den Kamelen saßen, hatten wir genug Zeit, mit den Angestellten zu schwatzen. Ein junger Mann arbeitet seit 8 Jahren dort. Jeden Tag kommen neue Leute an und bleiben eine Nacht. Das Camp muss jeden Tag für 70 bis 90 Leute hergerichtet werden. Bei der Ankunft gab es Tee und überall lagen die frisch geputzten Teppiche. Die Zelte stehen um eine Art Innenhof, dann gibt es ein Hauptzelt als Speiseraum und ein Küchenzelt. Die Gästezelte haben ein mit Planen abgetrenntes Bad und Aircondition. Ohne würden wir es kaum aushalten.

Als wir über das herannahende Gewitter gesprochen haben, meint der junge Mann, dass es vermutlich ein Sandsturm wird. Der kündigt sich genau so an und dabei kann es auch blitzen und donnern.
Als es dann tatsächlich losging, kam der Sand aus allen Richtungen. Wir haben uns in unser Zelt verkrochen. Anfangs dachte ich, dass Regen auf das Zeltdach prasselt, aber es war Sand. Draußen konnte man keine 10 Meter weit sehen. Aber schließlich kam doch noch etwas Regen. Den Unterschied konnte man deutlich hören. Nach etwa 10 Minuten war es wieder nur Sand, der herumflog.
Als nach einer halben Stund alles vorbei war, war von den Regentropfen nichts mehr zu sehen. Am Hauptzelt waren Teppiche, Sitzpolster und Tische voller Sand. Ein feiner Sand, der überallhin kriecht, auch in die Ohren, die Nase und in die Augen.
Der Wüstensand hatte sich inzwischen abgekühlt. Anfangs war es so heiß, dass man nicht darauf laufen konnte.

Am nächsten Morgen konnten wir den Sonnenaufgang sehen. Das war so gegen 6 Uhr. Viel Zeit blieb uns in der Wüste nicht, denn unmittelbar nach dem Frühstück wurden wir für die Rückfahrt abgeholt. Was kann man hier auch sonst machen? Tagsüber ist es zu heiß um in der Wüste rumzulaufen. Das Camp ist langweilig und Squad fahren in der Wüste ist nicht mein Ding.
Mein Fazit für diese Tour: Es wäre schöner mit einem Mietwagen gewesen. Da kann man anhalten, wo immer es interessant ist. Genervt hat mich, dass wir ständig zu überteuerten Restaurants gebracht wurden, die Verglichen mit Marrakesh etwa doppelt so hohe Preise hatten. Weit abgelegen von jeglicher Konkurrenz hat man keine andere Wahl. Man kann nur akzeptieren oder verweigern. Natürlich würde kein Einheimischer da reingehen. Für mich ist es nicht eine Frage des Geldes, sondern des Prinzips, wenn mir jede Wahl genommen wird. Die Busunternehmen sind wahrscheinlich an den Restaurants beteiligt. Einmal hatten wir die Chance, in ein kleines, weniger teures Lokal auf der anderen Straßenseite zu wechseln. Der Kellner von der teuren Bude kam hinterher gelaufen und hat mit der Karte gewedelt. Wir waren nicht die Einzigen, die sich über diese Machenschaften geärgert haben und so fanden wir uns in einer geselligen Runde wieder.
Gut war, dass wir zu Orten gekommen sind, die wir sonst nicht gefunden hätten. Eine solche Rundreise braucht einige Organisation und das ist schließlich auch Arbeit.