Gin Gin

Gin Gin klingt irgendwie süffisant, ist es aber nicht. Eine Kleinstadt, nicht weit vom Pazifik, aber weit genug, dass es hier meistens um 4 Grad wärmer ist, als am Meer.

Etwa 3000 Einwohner, vielleicht auch weniger, das konnte mir noch keiner so genau sagen. Es gibt zwei Pubs, einen Supermarkt, ein paar kleine Läden und eine winzige Galerie, in der auch die üblichen Andenken verkauft werden und Bilder von lokalen Künstlern, oder solchen, die sich dafür halten. Kurzum: hier ist der Hund begraben.

Gin Gin, Hauptstraße mit Geschäften
Samstags ist Markt in Gin Gin: verkauft wird alles, was in der Gegend wächst

Win wohnt etwa 3 km von Gin Gin entfernt in Kookaberra Park, einer Siedlung, die vor ca. 30 Jahren als Ökodorf gegründet wurde. Inzwischen leben hier fast 60 Leute, viele von ihnen sind entweder Rentner oder sie leben dank der Anzahl ihrer Kinder von Sozialleistungen. Einige Grundstücke sind noch zu haben und da die Siedlung etwas abseits vom Getümmel zivilisierter Orte liegt, sind die Preise verträglich.

Die Anlage sieht tatsächlich aus wie ein riesiger Park. Unglaubliche Bäume und zwei Badeseen. Dazwischen die Häuser, wie hingestreut. Die einzelnen Grundstücke sind riesig, 4500 qm sind völlig normal. Abends tummeln sich duzende Kängurus auf den Grünflächen. Die Kängurus sind auch der einzige Grund, etwas einzuzäunen. Wer seine Pflanzen liebt, muss sie vor diesen gefräßigen Tieren schützen. Alle Anwohner bewässern ihre Gärten mit Wasser aus den Seen, wofür extra ein Leitungssystem angeschafft wurde. Überhaupt sind hier alle grundsätzlich auf Selbstversorgung eingestellt. Regenwasser wird aufbereitet und ist selbst als Trinkwasser zu gebrauchen. Energie kommt von den Solarzellen auf den Dächern. Was nicht selbst verbraucht wird, kommt ins Stromnetz und wird fair vergütet. So haben die meisten Leute hier negative Stromrechnungen. Win hat monatlich gerade mal 100 Dollar zu zahlen für alles was das Haus betrifft.

Kookaberra Park, Hauptstraße
Abends in Kookaberra Park mit Kängurus

Die Abfall wird zuallerest vermieden. Was sich nicht vermeiden lässt, wird sorgfältig getrennt. Hier hat nicht jeder seine Mülltonnen im Garten, sondern es gibt einen Platz, nahe am See, wo eine Reihe von Mülltonnen bereit steht. Jeder volle Mülleimer bedeutet dann immer einen 15-minütigen Spaziergang oder eine kleine Autofahrt.

Ohne Auto geht hier gar nichts. Die ehemalige Buslinie wurde eingestellt, weil keiner sie genutzt hat. Gestern sind wir bei 37 Grad in Gin Gin einkaufen gewesen. Die drei Kilometer hätte ich weder zu Fuß noch mit dem Rad machen wollen. Die Sonne war erbarmungslos, also schleppt man sich vom schattigen Haus in das gekühlte Auto und von dort in den gekühlten Supermarkt und zurück. Ich setze mich nicht der Sonne aus, wenn nicht unbedingt nötig.

Abgeschlossen wird hier grundsätzlich gar nichts, weder das Haus, noch die Garage, oder das Auto. Es sei denn man ist längere Zeit nicht hier.

Das mit den Schlangen nehmen die Australier auch nicht so genau. Eine Familie in der Nachbarschaft teilt sich das Haus mit einer riesigen Python, die auf dem Dach wohnt. Ab und an klaut sie mal ein Huhn, das sie im Ganzen hinunterwürgt. Ansonsten ist das kein Problem, zumal die Phyton auch Ratten mag.

Beeke habe ich neulich kennen gelent. Wir haben sie vom Flughafen abgeholt. Hier ist man immer auf die Hilfe der anderen angewiesen, weil es keine öffentlichen Verkehrsmittel gibt und ein Taxi unerschwinglich ist. Wir werden das auch in Anspruch nehmen, wenn wir nach Europa zurückreisen.

Beeke spielt mit zwei ihrer Schülerinnen auf einer Vernissage in der kleinen Galerie in Gin Gin

Beeke ist Anfang 50 und unterrichtet Geige an mehreren staatlichen Schulen in der Umgebung. Mit 17 kam sie mit ihrem Vater und einigen Geschwistern aus Hamburg nach Australien, war verheiratet, hat drei erwachsene Kinder, lebt aber alleine in einem wunderschönen sonnigen und luftigen Haus. Momentan hat sie durch das Unterrichten genug soziale Kontakte, sie kann sich aber nicht vorstellen, wie das ist, wenn sie in ein paar Jahren nicht mehr arbeitet.

3 Antworten auf „Gin Gin“

  1. Mensch Uschel, was Du so alles erlebst!
    Da Du auf meine letzte E-Mail nicht geantwortet hast, versuche ich ein paar Lebenszeichen aus der letzten Woche in dieser Schublade – in bewährter Tabellenform:
    Samstag: Kängeruhschnitzel – Essen in der Spandauer Wilhelmstadt mit Elmas Wieczorek.
    Montag: Skilanglauf an der Panke , danach Vortrag in der Grünen Fraktion im Spandauer Rathaus
    Mittwoch : Hoch interessante Veranstaltung beim DIFU zu Industrie 4.0, Digitalisierung und Stadtplanung in Berlin
    Donnerstag: Hauptausschuss zum umstrittenen Freizeitpark im Dorf Schwanebeck, danach ein tolles Konzert mit der 70-jährigen Bettina Wegner in der Wabe – mit Astrid Tag am Abend.
    Freitag: Woyzeck mit Wieczoreck im BE
    Samstag: Demo „Wir haben es satt“. Danach wahrscheinlich wieder gesund Essen bei Sarah Wiener – aber ohne Uschel

    Weiterhin gute Aktiverholung im Team -Jochel

  2. Liebe Uschi,
    als stille, begeisterte Leserin deines Blogs komme ich auch mal aus meiner Deckung um einen Gruß zu hinterlassen.
    Mein Tag beginnt mit einer Tasse Kaffee und der Hoffnung, Neues in deinem Reisetagebuch lesen zu können. Ich freue mich über jeden Eintrag und während wir hier im Norden langsam einschneien, kann ich mich in die Ferne (und Wärme 🙂 ) Australiens lesen. Fühl dich umarmt von mir, viele herzliche Grüße nach Australien und an alle, die dich begleiten und es gut mit dir meinen!
    Bine

  3. Hallo liebe Ursula,
    schön wieder von Dir zu hören.
    Es ist immer interessant andere Lebenskonzepte mit dem eigenen zu vergleichen. Eigentlich habe ich mich immer nach Weite und wenig bewohnter Landschaft gesehnt, Wenn ich nun Deine Berichte lese, bin ich mir sicher, dass ich mir da allein mit der Malerei, handwerklichen Aktivitäten , einem Haustier an der Seite, und diesem und jenem Nachbarn nicht genügen würde.
    Trotzdem macht es mich auch nachdenklich, mit wieviel Gedankenmaterial wir überfrachtet werden. Manchmal sitze ich einfach da und frage mich, was man in dieser Zeit tun soll. Malen scheint mit Flucht und Rettung zugleich zu sein.
    Lasst es Euch gut gehen es grüßt Euch herzlich Rose

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