… anders kann ich das nicht nennen.
Für eine Woche haben wir unser Domizil in Gin Gin verlassen und sind unterwegs in Richtung Süden. Mit im Gepäck das große Zelt einschließlich Übernachtungszubehör.
Es ist nicht so leicht, von unterwegs aus das Tagebuch auf dem Laufenden zu halten. Manchmal bin ich abends einfach zu müde, manchmal ist kein Stromnetz da oder es gibt keinen Platz an den ich mich setzen könnte. Egal wie werde ich versuchen, die einzelnen Etappen so gut ich kann festzuhalten. Damit ich nicht zu sehr in Verzug gerate, will ich die Bilder später ergänzen, sobald ich dazu komme, alles zu sortieren und aufzubereiten.
Die erste Station ist der Grand Sandy National Park, ca. 2 Autostunden von Gin Gin entfernt. Mit kurzem Halt in Childers und in Maryborough sind wir am frühen Nachmittag in Rainbow Beach angekommen, einem winzigen Küstenort, der seinen Namen deshalb hat, weil am Strand Sand in allen möglichen Farben zu finden ist. Vielleicht nicht gerade in Regenbogenfarben, aber zumindest in allen Farben zwischen weiß und rot und natürlich schwarz, was auf bestimmte Mineralien im Erdreich schließen lässt. Das besondere an dieser Gegend ist, dass alles rundum Sand ist. Riesige Dühnenlandschaften öffnen sich plötzlich, wenn man am Ortsausgang bergan in den Wald hineingeht. Plötzlich steht man mitten drin in einer Art Miniwüste und kann von dort oben auf das Meer auf der einen Seite und auf die Bucht auf der anderen Seite hinunter sehen, also ein riesiger Dühnenberg, so breit wie die Landzunge.
Unser Zelt haben wir in Inskip Point aufgeschlagen. Das ist der äußerste Zipfel, bevor man auf die Insel Fraser Island übersetzen kann. Die Insel ist mehr als 100 km lang und besteht nur aus losem Sand, der von einer Art Urwald bewachsen ist. Richtige Straßen gibt es nur am nördlichen Ende der Insel, wo früher einmal der mineralhaltige Sand abgebaut wurde. Will man also auf die Insel, dann kann man nur den Strand als Fahrbahn nutzen. Selbst allradangetriebene Fahrzeuge haben damit Probleme. Unser Zeltplatz im Nirgendwo ist voller wilder Truthähne, die überhaupt nicht scheu sind. Außer uns gab es noch eine Handvoll andere Camper. Mit einem haben wir gesprochen, weil wir Streichhölzer für unseren Campingkocher brauchten. Er sah aus wie ein Urgestein aus dem Wald. Unbestimmbares Alter, so zwischen 50 und 75, lange, lockige Haare zum Zopf gebunden, braungebrannt und verwittert, und naturverbunden wie sonstwas. Er war hellauf begeistert, als er von unseren weiteren Plänen gehört hat.
Inskip Point ist Natur pur in allen Fassetten. Lange Spaziergänge am Strand, und Picknick am Abend gleich hinter den Dühnen, gegenüber der riesigen Sandinsel. Weit und breit keine Zivilisation, nur die öffentlichen Toiletten lassen darauf schließen, dass die Abgeschiedenheit täuscht. Denn selbst hier gibt es ein öffentliches WC. Generell findet man im ganzen Land welche, die kostenlos genutzt werden. Selbst das winzigste Kaff hat eine. Manche sehen nicht besonders toll aus, aber man kann sie benutzen, sie werden sauber gehalten und Toilettenpapier ist auch immer da. Für Australier ist das völlig normal, und wenn sie nach Europa kommen, dann verstehen sie die Welt nicht mehr, weil selbst das bei uns kostenpflichtig ist.
Die nächste Station ist Noosa, ein mondäner Ort, der so richtig nach ganz viel Geld aussieht. Teure Appartmenthäuser und Hotels in Strandnähe, tolle Geschäfte in der kuscheligen Innenstadt, noble Restaurants… Wenn man viel Geld ausgeben will, dann ist man hier genau richtig. Die Immobilienaushänge haben wir uns angesehen und demnach kriegt man eine kleine Wohnung mit nur einem Schlafraum nicht unter 500000 Dollar. Ein Haus unter einer Million habe ich nicht gesehen. Noosa hat ein weitverzweigtes Netz von kleineren Buchten und Flüssen auf der dem Meer abgewandten Seite. Auf der Karte sieht es aus, als hätte man dazu künstlich nachgeholfen. Die meisten Leute hier haben eigene Boote und eigene Bootsstege gleich am Haus. In Noosa können wir uns gerade mal die Jugendherrberge leisten, da sind wir mit 70 Dollar für eine Nacht im Doppelzimmer gut dran.
Vom Strand aus kann man den befestigten Weg duch den Nationalpark bis nach Hells Gates wandern. Das ist etwa 1 Stunde durch den Wald, direkt an den steinigen Hängen entlang. In allen kleinen Buchten, die wir passierten waren Surfer und solche, die es werden wollen. Wasserschildkröten, Delphine und einen Koala haben wir gesehen.
Auf dem Weg zur nächsten Station fahren wir an der Küste entlang durch die Gold Coast. Das klingt viel besser, als es aussieht. Ahnungslos wie ich war, hat es mir einen richtigen Schreck versetzt. Das hätte ich nie erwartet, dass sich die Gold Cost als eine Albtraumlandschaft präsentiert. Wolkenkratzer soweit das Auge reicht. Eines der höchsten Gebäude der Welt steht hier. 600000 Einwohner, aber ein Vielfaches davon an Touristen, viele davon aus Japan. Ursprünglich war es mal ein Surferparadies, bis dann in den 60er Jahren die Kommerzialisierung begann und ein Megahotel nach dem anderen hier gebaut wurde. Mondänen Charme sucht man hier vergeblich.
Aber unser Ziel ist Bayron Bay, ein kleiner Küstenort der Althippies, Aussteiger und Lebensküstler. Bei genau solchen beziehen wir Quartier, nämlich in einer Bhagwan Kommune. Win hat hier schon manchmal übernachtet und kennt Body, den „Chef“ des Hauses. Etwas abseits von Byron Bay leben die Bhagwanjünger in kleinen kuscheligen Häusern in dieser malerisch sattgrünen Landschaft. Aber auch als Nichtmitglied der Kommune kann man sich hier für einige Zeit einrichten und eines der Zimmer beziehen. Es gibt ein Haupthaus, in dem leben Body und noch ein paar andere Leute. Body sieht aus wie ein richtiger Bhagwani, mit pinkfarbenen und roten Gewändern. Vor ca. 30 Jahren kam er aus Dortmund her um mal zu schnuppern und dann ist er einfach hier geblieben. In der aufgeräumten Küche trifft man laufend auf andere Leute. Alle sind ausgesprochen lieb zueinander und umarmen sich laufend. Aber alles ist streng geregelt. Keine Straßenschuhe im Haus, die Küche darf abends nur bis um 9 Uhr benutzt werden, in Bad und Toilette sind allerhand Schilder mit Verhaltensregeln. Alle Türen haben Geräuschdämpfer, damit niemals mit den Türen geknallt werden kann. Body meinte dazu, dass hier alle früh zu Bett gehen und einen leichten Schlaf haben. Es gibt auf dem Gelände auch eine Gebetshalle, überall sind kleine Sitzecken – und das alles inmitten der prächtigsten Bananen-, Mango- und Macadamiabäume. Jeden Mittwoch gibt es ein Gemeinschaftsessen im Haupthaus. Gekocht wird reihum, natürlich vegetarisch, aber die Teilnahme steht jedem frei. Für das Essen bezahlt jeder 10 Dollar, und so kommen an diesem Abend geschätzte 30 Leute aller Altersgruppen und Gesinnungen zusammen und schwatzen angeregt.
Von unserem Zimmer aus können wir das Meer und den markanten Leuchtturm von Byron Bay sehen. Bis zum Strand braucht man zu Fuß ca. 20 Minuten. Auf halbem Weg dorthin gibt es aber noch einen magischen Ort und ich bin froh, dass ich den gesehen habe. Es ist ein kleiner Süßwassersee mitten im Wald. Aus purer Neugier wollten wir dort baden gehen. An der unbefestigten Straße nebenan standen ein paar Autos, wir waren also nicht die Einzigen. Der See selber war relativ flach, er hatte vielleicht die Größe unserer Meche in Lobetal. Das Wasser sah aus wie frisch gebrühter Kaffee und war auch fast so warm an der Oberfläche, einen halben Meter tiefer jedoch angenehm kühl. Der ganze Ort kam mir total verzaubert vor mit den dicht verflochtenen Wurzeln am Ufer. Seltsam fand ich, dass rund um den kleinen See verteilt einzelne Männer — und nur Männer! — in Lauerstellung herumsaßen. Später haben uns unsere Mitbewohner die Vermutung bestätigt: ein Treffpunkt für schwule Männer, die Anschluss suchen.
Den Tag haben wir mit einer Wanderung zum Leuchtturm, dem Wahrzeichen von Byron Bay, verbracht. Eigentlich weniger mit der Wanderung als mit dem Beobachten von allerlei Meeresgetier. Auf dem Weg zum Leuchtturm gibt es nämlich eine kleine Aussichtsplattformen. Von dort kann man über die Felsen hinweg beobachten, was auf dem Meeresboden so los ist. Das Wasser ist einzigartig klar, somit sieht man von oben Delphine, unzählige Meeresschildkröten, Haie und Rochen. Von oben sehen die Tiere recht klein aus, aber die Haie waren bestimmt 2 bis 3 Meter lang. Um von einem Hai gefressen zu werden, muss man sich übrigens ganz schön Mühe geben. Hubschrauber suchen die Küste nach Haien ab und geben entsprechende Warnungen raus und es gibt auch Drohnen, die dazu eingesetzt werden. Solange man an den beobachteten Stränden bleibt, ist man relativ sicher.